Essen, 23. März 2021

Die Ruhrbahn will nachhaltig werden und plant dazu den Umstieg auf Wasserstoff-Busse bis 2033. Ob es so kommt, entscheidet der Rat der Stadt Essen in seiner Sitzung am 24. März 2021. Der Ausschuss für Verkehr und Mobilität hat am 11. März 2021 bereits seinen Segen gegeben.

Vorweg: Wir vom KlimaEntscheid Essen begrüßen jede Maßnahme, die eine zügige Mobilitätswende und frühe Klimaneutralität ermöglicht. Dennoch wundern wir uns über die Pläne. Wieso?

  1. Nachhaltigkeit: 

„Wird ab 2024 grüner – zum Beispiel mit umweltfreundlicher Solar- oder Windenergie gewonnener – Wasserstoff eingesetzt, bieten wir den Essener Bürgerinnen und Bürgern ein attraktives, klima- und umweltschonendes Mobilitätskonzept.“ So heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Essener Ratsfraktionen von CDU und Grünen.  

Das stimmt grundsätzlich. Schließlich lässt sich Wasserstoff bereits treibhausgasneutral herstellen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die für „grünen Wasserstoff“ in großem Umfang benötigte erneuerbare Energie vor Ort produziert wird. Wie das geschehen soll, lässt die Beschlussvorlage offen. Stattdessen lässt sich nachlesen, die „Belieferung mit Wasserstoff an den Betriebshöfen soll zunächst per Trailer durch Dritte erfolgen”. Alternative Wege der Beschaffung, etwa durch Eigenproduktion auf den Betriebshöfen oder die Anbindung an die NRW-Wasserstoff-Pipeline stehen durchweg im Konjunktiv. Und selbst wenn – aus heutiger Sicht bleibt eine klimafreundliche Herstellung fraglich. Dafür reichen die aktuell in Deutschland geplanten Ökostrom-Mengen nicht aus. Die Verfügbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Klimabilanz von importiertem grünem Wasserstoff ist ebenso nicht eindeutig abzuschätzen. 

Das bedeutet: Das vorgestellte Konzept lässt Punkte offen, die Voraussetzung für eine klimaneutrale Mobilität wären. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass die „Klimaampel“ der Ratsvorlage eine ‘Erhebliche Reduktion‘ des Treibhausgas-Ausstoßes bescheinigt, auch wenn dadurch kein Diesel mehr getankt wird.

  1. Timing: 

Die Stadt Essen lässt derzeit den Sustainable Energy and Climate Action Plan (SECAP) erstellen. In diesem Rahmen soll neben Klimaneutralität bis 2050 auch das Szenario bis 2030 berechnet werden. Die Erweiterung hatte die Stadt folgendermaßen begründet: “In der

Diskussion um die Ratsvorlage Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 mit der Zielsetzung Klimaneutralität spätestens 2050, wurde vorgebracht, dass das Erreichen der Klimaneutralität deutlich vor 2050, möglichst 2030, Voraussetzung für die Kompatibilität mit den Pariser Klimaschutzabkommen sei.” Die Ergebnisse werden bis Juni erwartet. Auf der Grundlage wird der Rat der Stadt Essen den künftigen Klimapfad entscheiden: pro Klimaneutralität bis 2030 und für das Pariser Abkommen oder für das bisherige Klimaziel 2050, das eine Erderhitzung auf deutlich über 2 Grad Celsius fördern würde.

Fazit: Ein Beschluss der Umstellung der Ruhrbahn-Busflotte auf Wasserstoff bis 2033 zum jetzigen Zeitpunkt steht im Widerspruch zu Klimaneutralität bis 2030, worüber erst Ende Juni befunden wird. Dadurch würde für mindestens drei Jahre ein Teil der Flotte nicht klimaneutral fahren. 

  1. Kosten: 

„Gut fürs Klima, gut für Portmonee und technisch effizient – die Wasserstofftechnologie nimmt eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende ein.“ Diese Aussage von Ulrich Beul, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Ruhrbahn GmbH hat uns überrascht. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes ist Elektromobilität die günstigste Technologie für die Mobilitätwende, die Brennstoffzelle dagegen die teuerste. Auch Expert*innen wie Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung warnen: „Die Herstellung von Wasserstoff erfordert drei- bis fünfmal so viel Energie, als wenn man erneuerbare Energien direkt nutzen würde. Man wird Wasserstoff deshalb vernünftigerweise nur dort einsetzen, wo es keine andere Möglichkeit gibt.“ 

Das bedeutet: Das vorgestellte Konzept gibt der belegbar teuren innovativen Wasserstofftechnologie den Vorrang. Dafür mag es Gründe geben, sie als finanziell vorteilhaft darzustellen ist bei den aktuellen Unwägbarkeiten nicht glaubwürdig. 

Wir bedanken uns bei der GRÜNEN Ratsfraktion für das Gesprächsangebot in Bezug auf die Thematik. 

Wir vom KlimaEntscheid Essen appellieren an die Politik: Bitte handeln Sie verantwortungsvoll und mit Weitsicht, statt auf lückenhafter Informationsbasis vorschnell Tatsachen zu schaffen. Das städtische Klimaziel muss dafür den Rahmen stecken, der Rat der Stadt Essen wird allerdings erst im Juni darüber entscheiden. 

Wenn Sicherheit und Wohlergehen der Menschen in Essen Priorität haben sollen, kann das Ergebnis dann nur 2030 lauten. Klimaneutralität bis 2040 oder 2050 riskiert eine Erwärmung von über 2 Grad Celsius und damit schlimmste Folgen. An diesen wissenschaftlich belegbaren Tatsachen sollte sich jede Entscheidung über Maßnahmen wie diese messen lassen. Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen im Umgang mit der Klimakrise haben wir weder Zeit noch Geld für Brückentechnologien.

KlimaEntscheid Essen